Ich seh, was du nicht siehst

eine Exkursion mit ungewohntem Blickwinkel

Heute nimmt uns Andreas Scheidegger auf eine besondere Entdeckungstour mit. Mit ihm haben wir einen guten Exkursionsleiter, der sich auskennt im Ried und der unsere Umgebung aus einem neuen  Blickwinkel sieht – aus Sicht der ganz Kleinen, die nicht auf denselben Wegen gehen wie wir, und trotzdem da sind. Zahlreicher als wir denken, krabbeln und fliegen, kriechen und spinnen sie. Schon nach wenigen Metern entdeckt der Exkursionsleiter die ersten Bewohner. Am Blatt der Roten Heckenkirsche gräbt die Larve der Miniermotte ihre bleichen Gänge, in denen sie gierig das Chlorophyll der Pflanze schürft.

Violetter Silberfalter. Foto: Andreas Scheidegger

Auf den gelben Blüten des Sumpfkreuzkrauts suchen wir vergebens nach Blutbären-Raupen. Diese werden seit der Jahrtausendwende bei uns leider nicht mehr gesehen. Dafür treffen wir auf eine Listspinne, die ihren Nachwuchs in einem Kokon gut versorgt weiss. Sie bewacht darin über 100 kleine Spinnen. Und im meterbreiten Netz einer Schilfradspinne leuchtet ein erlegter und gefesselter Zitronenfalter. Wir begegnen dem Violetten Silberfalter, dem Purzelkäfer, der Mistbiene, dem Blütenbockkäfer und dem nördlichen Würfelfalter.

Gespinst mit jungen Listspinnen. Foto: Amadeus Morell

In kurzer Zeit haben wir in dieser kleinen Welt viele neue Bekanntschaften gemacht! Wir treffen dabei nicht nur auf Tagfalter, sondern auch auf Nachtfalter wie den Heidespanner – mitten am helllichten Tag! Am Pfäffikersee flattern neben rund 40 Tagfalterarten nämlich gegen 400 Nachtfalterarten – die aber nicht alle zu den ‚Nachteulen‘ gehören. Es gibt Arten, die wegen ihres Aussehens zwar zu den Nachtfaltern gezählt werden, aber trotzdem lieber tagsüber unterwegs sind.

Spitzenfleck. Foto: Amadeus Morell

Dass Nomen hier nicht Omen ist, wird auch klar, als wir die Trinkerin kennen lernen. Die grösste Raupe im Ried ist nämlich durchaus nüchtern, ist ihr Lieblingsdrink doch Tau. Auch der Spitzenfleck ist nicht schmutzig. Die Flecken am Hinterleib des Männchens entstehen, weil bei der Paarung die blaue Farbe durch die Beine des Weibchens abgeschabt wird. Der Speichel der Wiesenschaumzikade ist alkalisch und wurde früher zum Waschen verwendet. In der Vorratskammer der Veränderlichen Krabbenspinne baumelt eine Biene, fein säuberlich verpackt. Die Weibchen können ihre Farbe von weiss zu grün und gelb wechseln. Auch auf den letzten Metern treffen wir Überraschendes. Der Rundblättrige Sonnentau fängt mit seinen klebrigen Tentakeln kleine Insekten, die er dann langsam immer fester umfasst und verdaut. Rote Waldameisen haben direkt daneben eine «Strasse» angelegt um der fleischfressenden Pflanze ihre Beute wieder zu entreissen.

Grasglucke, Trinkerin. Foto: Amadeus Morell

Dann ist es schon Zeit wieder aufzutauchen in unsere Welt. Wir danken Andreas Scheidegger für diesen Ausflug zu den Krabbelnden und Fliegenden, auf dem wir nicht nur farbenprächtigen Sommervögeln wie dem Violetten Silberfalter und dem Ikarus-Bläuling begegnet sind, sondern auch dem ewigen Kreis des Lebens von Geburt, Fressen und Gefressen-werden.

NVV Pfäffikon

Bettina Sterkele und Dominik Peyer

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